KZW, 7.12.01

Reifeprüfung in der Großraum-Stube

Café im Takt: Golden Erection läuft auch ohne Strom wie geschmiert

Von Detlef Glückselig

Grünpflanzen als Dekoration, Sofas und Sessel, auf denen es sich auch mit einem Bass um den Hals bequem lümmeln lässt Golden Erection sorgten für Wohnzimmer-Atmosphäre. Allerdings war es ein Wohnzimmer in Übergröße: 170 Besucher erlebten in der Jahnhalle das Unplugged-Konzert der innovativsten Band, die die Nordenhamer Szene derzeit zu bieten hat. „Café im Takt“-Veranstaltungen der Jahnhalle finden gewöhnlich in einem kleinen, intimen Rahmen statt. Am Mittwochabend konnte von klein keine Rede sein; Golden Erection haben viele Fans. Intim war‘s auf angenehme Weise dennoch. Das Publikum saß an Bistro-Tischen. Die Musiker machten es sich auf ihrer Wohnzimmer-Bühne bequem und spielten so entspannt, als hätten sie sich spontan zu einer Session getroffen. Das Extra-Licht, das Golden Erection organisiert hatten und äußerst effektiv einzusetzen wussten, trug seinen Teil dazu bei, dass eine ganz besondere Atmosphäre entstand in der Jahnhalle. Vor allem aber war es die Musik, die einen stinknormalen Mittwochabend einem denkwürdigen Abend werden ließ. Mit ihrer ganz und gar nicht im Mainstream angesiedelten Mixtur aus Hip-Hop, Reggae, Rock und Jazz-Anleihen haben sich Golden Erection schon immer von der grauen Masse all jener Bands abgesetzt, die in Nordenhamer Übungsräumen vor sich hinwerkeln. Außerdem verfügt die Formation mit den Brüdern Marvin und Pasquale Schulz über gleich zwei Frontmänner, die diese Bezeichnung ernsthaft verdienen und von denen einer auch noch Saxofon spielen kann. Bemerkenswert ist, wie absolut perfekt all das mittlerweile zusammenpasst. Golden Erection läuft wie geschmiert auch ohne Strom. Geschickte Dramaturgie Sorgfältig arrangierte Stücke mit dramaturgisch geschickt platzierten Breaks zeugen davon, dass inzwischen immerhin die halbe Mannschaft der auf Eis gelegten ruta baga bei Golden Erection am Start ist und seine musikalische Erfahrung in die Waagschale wirft. An der Akustikgitarre fügte sich Neuzugang Niklas Turmann bestens ins Gesamtbild ein. Corvin Bahn spielte den unplugged-Regeln entsprechend auf das Jahnhalle-Klavier beschränkt sein ganzes Können aus, derweil Delf Schewe am Schlagzeug und Dennis Eickermann am Bass eine solide groovende Basis bildeten. „Beste Band der Welt“ Die vielen jugendlichen Fans im Publikum mussten sich erst noch daran gewöhnen, dass man bei einem Konzert auch sitzen kann. Und sie ließen sich nicht zwei mal bitten, als Pasquale Schulz sie bei einem Stück aufforderte, aufzustehen und zu tanzen. Eine Coverversion von Lenny Kravitz‘ „Always on the run“, ein a cappella vorgetragenes Spiritual zum guten Schluss, dazwischen viel sonniger Reggae und rotzfrecher Hip-Hop, ein paar Sprenkel Jazz, Tanja Bucks hinreißende Stimme bei einem Gastauftritt, begeisterte Zugaberufe, Sonderapplaus für gekonntes Hinternwackeln, und auf der Treppe schwenken die Mädels ein Banner, um „die beste Band der Welt“ zu grüßen. Dieser Titel gebührt nach Meinung vieler Menschen mit Verlaub immer noch den Beatles. Aber für diesen herausragenden Abend im Café im Takt dürfen ihn die zum Aushängeschild der Szene gereiften Golden Erection gerne für sich beanspruchen.