KZW, 5.12.03
Laiengitarrist als Abräumer
130 Musikfreunde lauschen Hartmut Becker im Café im Takt der Jahnhalle
Von Detlef Glückselig
Hartmut Becker sitzt in der Garderobe der Jahnhalle und hat ein mulmiges Gefühl.
Unheimlich sei ihm das, was sich nebenan im Saal abspielt. Der nämlich
ist rappelvoll. Ich bin doch nur ein Laiengitarrist, meint Hartmut
Becker. 130 Musikfreunde wollten sich diesen Laiengitarristen am
Mittwoch bei seinem zweiten Auftritt im Café im Takt nicht entgehen lassen.
Bescheidenheit ist eine Zier. Bei Hartmut Becker ist sie eine Charaktereigenschaft.
Noch vor einem Jahr hätte es sich der Hobbymusiker niemals träumen
lassen, einmal aus dem stillen Kämmerlein in einen voll besetzten Jahnhallensaal
zu treten. Dann kam es zu einer folgenreichen Begegnung.
Hartmut Becker wollte bei NMT eine Eintrittskarte für ein Konzert des Gitarristen
Peter Finger in der Jahnhalle erstehen. Gute Wahl, hörte er
hinter sich eine Stimme. Sie gehörte Jahnhallenchef Robert Kohl. Als
Gitarrist muss man da hin, antwortete Hartmut Becker und war damit
schon so gut wie schanghait. Gitarrist, aha. Dann könne er ja mal im Café
im Takt auftreten, schlug Robert Kohl vor. Nie im Leben, war Hartmut Beckers
erste Reaktion. Der Jahnhallenleiter brauchte Wochen, ehe er Reinhard-Mey-Fan
Becker endlich weichgeklopft hatte.
So kam es zum ersten beckerschen Gastspiel im Café im Takt. Und der stellvertretende
Werkleiter von Kronos Titan wundert sich noch heute über die gewaltige
Resonanz. So viele Leute wollten ihn hören, dass das Konzert nicht in der
Kneipe, sondern im Saal über die Bühne ging. Am Mittwoch hatte Hartmut
Becker nun erneut Gelegenheit, sich zu wundern: ausverkauftes Haus. Das mag
in der Tat komisch anmuten, wenn man bedenkt, dass zum Beispiel Stargitarristen
wie jüngst Uli Bögershausen und Reinhold Westerheide vor gerade mal
40 Zuhörern auftreten. Aber in Nordenham zählt der Prophet im eigenen
Lande nun mal eine ganze Menge.
Liebe in allen Variationen
Und das Publikum wurde nicht enttäuscht. Präsentierte Hartmut Becker
im April ein reines Reinhard-Mey-Programm, ging es diesmal kreuz und quer durch
die Liedermacher-Szene: Hochdeutsches, Plattdeutsches, Irisches, Simon &
Garfunkel, Bob Dylan und Hannes Wader. Den roten Faden bildete die Tatsache,
dass es in allen Titeln um die Liebe ging im weitesten Sinne: Liebe zu
einem Menschen, zu einem Ort, einer Stadt, zum Frieden, Liebe, die manchmal
nichts mehr ist als Illusion, als eine schöne Erinnerung.
Den Auftakt bildete auch diesmal ein Titel von Reinhard Mey. Der schildert,
was sich so abspielt in diesem, unserem Lande. Und dazu hatte auch
Hartmut Becker einiges zu sagen. Er scheute sich nicht, auf Missstände
hinzuweisen und die Schamlosigkeit manch eines Politikers zu beklagen.
Zwischen Nachdenklichem, Behaglichem und Fröhlichem changierte die Stimmungslage
im weiteren Verlauf des Abends. Dem Publikum gefiehls. Selbstredend ließ
es Hartmut Becker nicht ohne Zugabe von der Jahnhallenbühne. Dort wird
der Abräumer, wie Robert Kohl ihn bezeichnete, sicherlich nicht
zum letzten Mal gesessen haben. Heute Abend steht Hartmut Becker im Übrigen
gleich noch einmal im Rampenlicht: als Gast der Ersten Allgemeinen Lehrerband
bei deren Konzert in der Schule in Friedrich-August-Hütte.