KZW, 19.4.69
Friedeburg-Impressionen
oder "die Geschmäcker sind verschieden"
Ostersonntag, 16.55 Uhr. Der Beat-Schuppen en gros, auch Friedeburg genannt, ist zu Zweidrittel besetzt. Immer noch strömen farbenfroh gekleidete Beat-Fans in den Saal. Vom lila Oberhemd bis zur knallroten Weste ist alles vertreten. Einige Mädchen mit Schlapphüten, die wohl aus vergangenen Hippy-Zeiten stammen, erinnern mich an Oma. Mh´ . . . für männliche Besucher eine wahre Augenweide: Mini-Röcke in allen Variationen. 17.10 Uhr. Warum höre ich noch keine Musik. Ich zünde mir abermals eine Zigarette an. 17.20 Uhr. „The Godfather's Bluesband" wird angekündigt. Sie spielen gar nicht schlecht, die vier Boys. Sie predigen Blues und noch einmal Blues. Besser hätte es auch Blues-Apostel John Mayall nicht predigen können. Vielleicht muß die Band noch ein wenig proben, aber der Sound ist da. Mein nicht mehr ganz junge Nachbar scheint nicht mit dem Dargebotenen zufrieden zu sein. Anscheinend hätte er sich lieber auf den Feuerwehrball gewünscht — Pause. Niemand weiß, welche Band jetzt spielt, doch die Verstärker werden höher gedreht. Die Bässe dröhnen nicht nur durch die Fußsohlen; trotz des Vorhanges klingt das Schlagzeug zeitweilig wie Geräusche aus der Fernsehserie „Der 2. Weltkrieg im Fernen Osten". Nach 20 Minuten sind sie da, die „Just Us". Delf sieht mit seinem Umhang aus wie ein etwas dünn geratener Yogi Mahareshi. Seine gebietenden Armbewegungen lassen jedes Blues-Stück wie eine Bekehrung erscheinen. Das Abschiedsgastspiel von Stephan und seiner Gang ist gar nicht schlecht, nur scheinen mir die einzelnen Stücke ein wenig zu lang. Sie improvisieren ja gar nicht schlecht, doch viele Besucher fühlen sich ums Tanzen betrogen; denn zeitweilige Ausflüge in den Psychedelic oder gar Underground sind zum Tanzen ungeeignet. Trotzdem kommen aber sowohl die Fans, die nur zum Zuhören gekommen sind, als auch Tanzfreudige voll auf ihre Kosten. Der Auftritt der „Just Us" ist beendet. Da nun ja die „Bonds" kommen müssen, stellen sich schon viele Fans hinter die vor der Bühne aufgebauten Stuhlreihen, um die Star-Band zu sehen. 10 Minuten später: Sekundenlange Dunkelheit im Saal, ah ... wie das schmatzt, dann spielen sie, die „German Bonds". Eine Instrumental-Nummer, Kopie von „The Nice America", gut gespielt. Wo ist denn der Sänger? Schon steht er dar, der gute Frank, ganz in weiß mit einem Mikrofon. Gut sieht er aus. Er macht seine Sache gut. „Reach Out, J'll Be There". Auch dieser Auftritt endet. Aber sie spielen ja noch 'mal. Jetzt aber raus in den Friede-burg-Park. Frische Luft „schnappen". Dann wieder die Godfathers, „Just Us" und noch einmal die „Bonds". Auf Wunsch Wiederholung von „Reach Out". Mozarts „Sonata Facile", tolle Sache. Mondscheinsonate wie ein Alptraum. Dann noch eine Rock-Nummer. Auftritt beendet, Geld verdient. Noch einmal Godfathers und Just Us. Es ist kurz vor Mitternacht. Die Veranstaltung ist beendet. Schade, hätte noch länger dauern können. Na ja, war ja nicht der letzte Beatabend.
Peter Lede