KZW, 27.12.82

Christmas-Pop-Festival steigerte sich zum Ende hin deutlich:
Standfeste Zuhörer wurden belohnt
Niicht gerade weihnachtlich-feierlich war es am vergangenen Sonnabend, dem ersten Weihnachtstag, in der Gaststätte Weserstrand in Großensiel zugegangen. Drei Nordenhamer Rockbands hatten zu dem zweiten Christmas-Pop-Festival eingeladen und mehr als 200 Freunde der Musikszene waren dem Ruf gefolgt. In einem Non-Stop-Programm, das bis'in die frühen Morgenstunden dauerte, erlebten die Fans die drei Gruppen Bad Habit, Swan und Radikal, die sich in Nordenham bereits einen Namen gemacht haben. Während des Konzertes kam in dem rauchverhangenen Saal der Gaststätte, die sich inzwischen zu einem Treffpunkt für Freunde moderner Musik entwickelt hat, mehrmals Hochstimmung auf.
Nach einer kurzen Ansprache des Bad-Habit-Gitarristen „Käpt'n Marx" sorgte die lokal berühmt-berüchtigte Band mit Hardrock für Hochstimmung, zumindest unter ihren Fans. Obwohl von der Rhythmik ebenfalls schwerfällig und aggressiv, schwimmt die Gruppe nicht so sehr auf der im Moment hoch schwappenden Heavy-Metall-Welle mit, sondern holt sich ihre Anregungen anscheinend mehr aus dem Bereich traditioneller Blues- und Rock'n-'Roll-Musik oder aus Hendrix-Stücken.
Hans Marx beschränkt sich wegen des durch die Kleinheit der Combo bedingten Fehlens anderer Melodie- oder Soloinstrumente, das er mit seiner Gitarre alleine ausgleichen muß, größtenteils auf elektronische Effekte mit seiner Gitarre und spielte nur selten klare lineare Gitarrenläufe, wie sie sonst im Hardrock gebräuchlich sind. Die Texte von Bad Habit sind, ob deutsch, ob englisch, in beiden Sprachen gleichermaßen aufbegehrend und aggressiv und behandeln Themen wie Polizeistaat, Rechtsradikalismus und Ernstfall, sden die Gruppe dann auch gleich eindrucksvoll durch ein Magnesiumfeuerwerk auf der Bühne Veranschaulichte.
Weniger Bühnenaktion, dafür aber, wie üblich, um so mehr Resonanz beim Publikum, erbrachte die Gruppe Swan nach der obligatorischen Umbaupause. Texte und Melodien sind von den jüngsten Auftritten her allmählich bekannt, viele Besucher sangen bei den typischen Swan-Standarts wie ,,Long train running" oder „Only dust in the wind" still für sich mit; aber Swan stellte auch neue Stücke oder alte wieder vor. Insgesamt schlug die Gruppe härtere Töne als gewohnt an, mit längeren Soli und Rene, der "kleine" Bruder Tommies, überraschte als Zweiter in der Familie mit einer warmen, angenehm durchmodulierten guten Gesangsstimme.
Nach einer Verlosung zur Überbrückung der Umbaupause, bei der eine aus dem Publikum ausgewählte Glücksgöttin namens Korinna Pooster Schallplatten der Gruppe Bad Habit sowie Monatskarten für den Weserstrand und die dort im Januar stattfindenden Konzerte verloste, begann nach Mitternacht der wohl interessanteste Teil des Konzertes: Der Auftritt von Radikal, der Gruppe des Ex-Euphrat-Gitarristen Heiko Braunseis, einem der wenigen echten musikalischen Individualisten unserer Region. Die Musik von Radikal läßt sich nicht ohne weiteres in die herkömmlichen Schemata einordnen. Es schwingt viel Jazz in ihrer Musik mit, dann aber geht sie auf einmal in schnellen Hard- oder Newwaver-Rock und manchmal beinahe in detf Bereich mystischer Psychodelic-Musik, mit schwebenden, nachbauenden Melodien und erstaunlichen Gesangseffekten über. Eine anspruchsvolle Jaz-Rock-Rhythmik sowie die Fähigkeit von Heiko Braunseis; das Publikum völlig in die Musik einzubeziehen, ließen die wenigen standfesten Besucher die frühe Morgenstunde vergessen und so begeistert mitmachen, daß Braunseis sein Gesangsmikrophon immer wieder mal dem Publikum längere Zeit zum Mitmachen überlassen konnte. Diejenigen Besucher, die bis zum Ende des Konzertes gegen 2.20 Uhr dabei geblieben sind, können auf eine farbenfrohe und kontrastreiche Veranstaltung zurückblicken. B.Z.