KZW, 21.11.94

Ein Festival mit Überraschungen: Nach den Champions war die Luft raus
Prime Time brachte die Friedeburg zum Toben - Una Banda spielte am Publikumsgeschmack vorbei

Von Christoph Heilscher
Es hätte ein ganz besonderer Abend werden sollen. Das war schon an Kleinigkeiten zu erkennen. Der Keyboarder der Ersten Allgemeinen Lehrerband, Jürgen Lange, trug eigens sein quietschrotes Jackett, das er bei einer Christmas Party im englischen Newcastle gewonnen hat.
Und, was keine Kleinigkeit ist, rund tausend Leute waren in die Friedeburg geströmt, um das größte Nordenhamer Rockereignis nach Roger Chapman und Saga mitzuerleben.
Es war alles angerichtet für ein regionales Rockmenü der Spitzenklasse. Die Erste Allgemeine Lehrerband machte ihre Sache als Appetithappen nicht schlecht, spielte Weißt-Du-noch-damals-Hits wie „Mighty Quinn" von Manfred Mann, Titel von Dylan, Santana, Pink Floyd und anderen Größen. Stücke zum Mitschnippen, die so schön sind, daß man sich auch durchschnittliche Interpretationen gefallen läßt. Das war Feten-Musik für mittelalte Semester, aus der das Gitarrenspiel von Andreas Plump herausragte, der sein Instrument mit Seele singen ließ.
Die Dramaturgie
gerät aus dem Lot

Die Dramaturgie stimmte bis zu diesem Punkt. Die erste Band darf nicht die beste sein. Eine Steigerung muß möglich bleiben. Und die kam und hatte einen Namen: Prime Time. Der singende Schlagzeuger Tommy Marechal, sein Bruder Rene an der Gitarre, Detlef Kramer am Bass, Jörg „Fete" Eilers an der Gitarre und Yeti Mansena an den Keyboards legten los wie Schmidts Katze beim Mäusefangen. Sie spielten mit viel Druck, sehr präzise, professionell. Die Funkrhythmen sprühten wie Funken ins Publikum, die Leute ließen sich anstecken, tanzten, strahlten, waren happy. Das Rock-Festival war zu diesem Zeitpunkt eine große Party. „Fete" Eilers und Rene Marechal bewiesen Entertainer-Qualitäten. Alles stimmte.
Daß Prime Time „nur" coverte, störte niemanden, denn die Band machte das so gut, daß sie sogar manches Original in den Schatten stellte. Die Joe-Cocker-Schnulzette
„Unchain my heart" beispielsweise war so erfrischend geliftet, wie man es nur selten hört. Das Publikum tobte und bekam eine Zugabe, die vorwegnahm, was wohl niemand erwartet hatte. „We are the Champions", sang Tommy Marechal ins Publikum.
Pause. Warten auf den Hauptgang. Spannung. Una Banda war schon immer eine Art Überraschungsei. Stets derselbe Name, aber mit sehr verschiedener Musik. Mal entspannter Latin Jazz, mal harter Funk, ganz selten Cover-Nummern. Nordenhams Rock-Heroen hatten für den Friedeburg-Auftritt viele neue Stücke eingespielt, fast alles Eigenkompositionen. Bluesiger, funkiger und rockiger als beim vielumjubelten Jahnhallen-Konzert vor einem Jahr hatte sich die Band angekündigt.
Großartiges Intro
Und es begann großartig. Das Intro war ein atmosphärisches Kunstwerk. Yeti jagte mit seinen Keyboards Dschungel-Töne durch die Friedeburg, Nebel schwappte von der Bühne bis weit in den Saal hinein. Die Stimmung knisterte, wie bei einem wirklich großen Rockkonzert. Una Banda de Musica spielte auf. Doch als es dann richtig losging, guckten sich die Leute fragend an. Una Banda hatte schon verloren, als die Band erst wenige Minuten auf der Bühne stand. Trotz der musikalischen Klasse eines Yeti Mansena, der am Sonnabend abend eine Doppelrolle gab, trotz der Fingerfertigkeit des Gitarristen und Vibraphonisten Knut Manke, der Souveränität eines Wilhelm Saemann am Bass und Michael Jacob hinterm Schlagzeug und trotz der, bei langsamen Stücken, bemerkenswerten Blues-Stimme von Hergen Küpker - Una Banda rockte am Publikum und auch ein wenig am musikalischen Zeitgeist vorbei.
Prime Time hatte die Zeichen für eine Party gesetzt, Una Bandas funkiger, etwas langatmiger Jazzrock paßte da nicht mehr. Die Band spielte instrumental sehr stark, die Eigenkompositionen blieben zum Teil allerdings blaß. Außerdem fehlte der Wiedererkennungswert. Die Friedeburg leerte sich zusehends. „Wandering through the night, waiting for the light" hieß es im letzten Una-Banda-Stück. Das konnte man auch wörtlich nehmen.
Als das Saallicht eingeschaltet wurde, waren die meisten schon gegangen. Schade. Nordenhams Rockolymp ist durch dieses Konzert etwas durcheinandergeraten. „We are the Champions" sangen Prime Time. Recht hatten sie. Aber das nächste Una-Banda-Überraschungsei kommt bestimmt. Irgendwann. Und dann wird sich das Publikum vielleicht wieder genüßlich über den Inhalt hermachen wie vor Jahresfrist in der Jahnhalle.

Das ich das auf meine alten Tage noch erleben durfte! Ein Konzert mit Häppchen (neudeutsch: "Catering"), Security und einem Backstage-Pass!