Ingo Marek (Äskulap, Quo Vadis)

Los ging es bei mir Anfang 1979. Ich kaufte mir von dem Geld, das ich von meiner Oma zu Weihnachten geschenkt bekommen hatte, eine Westerngitarre. An der Volkshochschule gab damals Erwin Möckel Gitarrenunterricht und mit Hilfe
von Peter Bursch`s Gitarrenlehrbüchern und der ruhigen und geduldigen Art Erwin Möckels hab ich die Kunst des Saitenzupfens gelernt. In der Zeit traten regelmäßig Bands wie Euphrat, Lilac Incense und Bad Habit auf und ich bewunderte die Jungs und die schnellen Riffs auf ihren Gitarren. Im Herbst 1979 lernte ich Stefan Scatulla kennen, der damals schon eine elektrische
Gitarre und einen Verstärker besaß. Von dem Moment an fand ich Saitenzupfen und Lieder wie "Die Moorsoldaten" doof und wollte unbedingt auch Rockmusik machen. Da traf es sich gut, dass wieder mal Weihnachten vor der Tür stand, denn als chronisch blanker 15 jähriger Schüler (die Kosten fürs Mofabenzin fraßen mein gesamtes Taschengeld auf) hätte ich mir damals kaum Gitarre und Verstärker leisten können. Vom Weihnachtsmann gab`s eine E-Gitarre - ein sauschwerer Gibson Les Paul-Nachbau - und von Omas Weihnachtsgeld den passenden Verstärker, einen Solton 30, mit Hall und Tremolo ! Der Verstärker
war eher was für Tanzmucker, denn ein verzerrter Gitarrensound war damit einfach nicht hinzubekommen, aber immerhin laut. Gitarren und Verstärker hatten Stefan und ich damit nun schon, fehlten also nur noch Bass und Schlagzeug. Die waren schnell gefunden und mit Thomas Köhler (Schlagzeug) und Malte Wilhelm (Bass) und wenig später mit Stefan Denker an der
elektrischen Orgel war die Besetzung komplett. Geübt wurde im Keller des Fernmeldeamts in der Bahnhofstr. 39a, direkt gegenüber der Kreiszeitung.
Meine Eltern und ich bewohnten dort damals eine Dienstwohnung der Post und weil in dem langgestreckten Bau einige Kellerräume leer standen, haben wir damals sofort zugegriffen, als mein Vater uns anbot dort zu üben. Den Tag muss er später verflucht haben, denn von nun an sind wir den armen Mitarbeitern der Fernmeldepost fast jeden Tag mit unseren Übungsstunden auf die Nerven gegangen - natürlich regelmäßig in Konzertlautstärke! Noch vor unserem ersten Auftritt übernahm Stefan den Bass und von da an entwickelte sich die Band, die sich inzwischen den Namen Äskulap gegeben hatte,
musikalisch schnell voran. Über die Band selbst hat Stefan Scatulla einen schönen Beitrag geschrieben, der sehr gut unseren Weg beschreibt.
Hauptproblem für die Band war die fehlende Gesangsanlage. Möglichkeiten aufzutreten hätte es damals genug gegeben, aber die meisten Veranstalter konnten keine Gesangsanlage stellen und so beschränkten sich unsere Auftritte meist auf Jugenddiskoveranstalten, bei denen wir Mikrofone und Boxen des jeweiligen DJs mitbenutzen durften. Das änderte sich erst im
Spätsommer 1980. Ich hatte inzwischen so viel Geld zusammengespart (das Mofa war gegen ein Fahrrad getauscht), dass ich mir in Dieter Gehrmanns Musikladen in der Hansingstraße eine gebrauchte Gesangsanlage mit 50 Watt und ein paar Lautsprecher kaufen konnte. Wenig später löste sich Äskulap wegen unterschiedlicher musikalischer Auffassungen auf.

Nur wenige Wochen später stand die nächste Band, diesmal mit Ralf Joost (Schlagzeug), Arne Lassen (Bass), Stefan Denker (Keyboards) und mir an der Gitarre. Anfang Dezember 1980 gab`s ein einziges, aber sehr erfolgreiches Konzert in dieser Besetzung auf der Schulfete des Gymnasiums Nordenham, wo die Band (ohne Namen) vor fast 1000 Besuchern spielte.

Mittlerweile hatte ich durch die Musik Kontakt zu vielen Nachwuchsmusikern aus Blexen und Einswarden geknüpft, die durch die "Musik-AG" von Harald Otto am Luisenhof gegangen waren. Es folgten mehrere Versuche wieder eine Band auf die Beine zu stellen, die aber an unterschiedlichen musikalischen Vorstellungen scheitern, bis sich 1981 die Band Quo Vadis formierte. Am
Anfang noch mit Andreas Pabel am Schlagzeug und Carsten Meier am Bass, übernahm bald darauf Jens Knauff das Schlagzeug, während Andreas und ich uns fortan um die Gitarren kümmerten. Anders als bei den Bands zuvor spielte Quo Vadis konsequent eigene Kompositionen, meist aus der Feder von Andreas Pabel, der sich im Laufe der Zeit zum musikalischen Vordenker der Gruppe entwickelte. Anfang der 80er Jahre war Deutschrock angesagt, also spielten wir auch deutsche Texte. Später kam zur Erweiterung unseres Soundteppichs noch ein kleiner Casio Synthesizer dazu, den ich zu verschiedenen Stücken spielte. Geübt wurde zunächst wieder im Keller des Fernmeldeamtes, wo sich allerdings die Beschwerden der Postmitarbeiter häuften - unsere Verstärker hatten inzwischen beträchtlich an Wattzahl zugelegt und wir übten immer noch in Konzertlautstärke. Die Zeitung beschrieb unsere Musik als Softrock, was wir damals eher als Beleidigung empfanden. Das mit der Musik verdiente Geld steckte ich in unsere Anlage und inzwischen war das Equipment so sehr angewachsen, dass wir uns für unsere Auftritte einen VW-Bus leihen mussten.
Leider gab es in den Jahren 1981 und 1982 nur wenig Auftrittmöglichkeiten für die inzwischen reichlich angewachsene Bandszene in Nordenham. Veranstalter machten sich rar und auch die Stadt (siehe KZW vom 15.01.80) stellte keine neuen Großkonzerte auf die Beine. Aus dieser Zeit stammt die Gründung der Rockfamilie, über die die Kreiszeitung am 11.11.1981 berichtete. Die Idee gemeinsam große Konzerte zu veranstalten, mündete dann u.a. in dem von Sabine Rust und Arne Lassen (beide damals so um die 18 Jahre alt) am 26.3.82 in der Friedeburg veranstalteten Rockfestivals mit sieben Nordenhamer Bands, das für die beiden in einem mittleren finanziellen Desaster endete.

Es folgten im Sommer 1982 einige Quo Vadis Auftritte in Butjadingen und Rodenkirchen, bei dem sich der Drummer der Oldenburger Punkrocker "Schweine im Weltall" bei einem gemeinsamen Auftritt mit Quo Vadis unseres Schlagzeuges bediente und die Schießbude nach dem Konzert reichlich lädiert zurück ließ.

Das letzte größere Konzert von Quo Vadis war am 17.09.1982. Wiederum aus Mangel an Auftrittmöglichkeiten hatte sich die Quo Vadis mit der neugegründeten Band Century zusammengetan und die Aula des Gymnasiums Nordenham für ein gemeinsames Konzert gemietet. Bei Eintrittspreisen von drei Mark waren uns trotz der bis auf den letzten Platz gefüllten Aula nach Abzug aller Kosten (darunter 85 Mark für den Druck der Plakate) etwa 7 Mark für jeden Musiker geblieben. So ging das Jahr 1982 zu Ende und ich zog mich langsam aus der Musikszene zurück, denn im Frühjahr 1983 stand mein Abitur
an, für das ich reichlich büffeln musste (die viele Zeit, die ich mit der Rockmusik zugebracht hatte, war meinen Leistungen in der Schule nicht unbedingt förderlich gewesen). Der Rest von Quo Vadis machte noch einige Monate weiter, zerfiel dann aber und ging in neuen Bands auf. Im Sommer 1983 verließ ich Nordenham in Richtung Rheinland-Pfalz, um ein Studium zu
beginnen. Die Musik und die kurze aber heftige Zeit in der Nordenhamer Musikszene habe ich noch viele Jahre danach sehr vermisst.