Das digitale Restaurieren alter Aufnahmen

Vorweg: mit dem digitalen Sichern und Restaurieren kann nicht früh genug angefangen werden. Es hat sich gezeigt, dass es im Laufe der Zeit immer schwieriger wird, Aufnahmen vernünftig zu restaurieren. Bisher habe ich mich mit eigenen und fremden Aufnahmen aus dem Jazz-Workshop In Oldenburg, mit der Gruppe Roisin Dubh, Alloy sowie mit Euphrat, Nordwind und über 40 Jahre alten Kindergesängen von mir beschäftigt. Es scheint sich übrigens gelohnt zu haben, doch ein paar Groschen mehr für Markenmaterial auszugeben, die billigen Kassetten für Demozwecke waren wohl doch nicht das Gelbe vom Ei.

Überspielen in den Rechner

Hier sollte eine ordentliche Soundkarte zur Verfügung stehen. Viele Karten haben einen Fremdspannungsabstand, der weit schlimmer ist, als HiFi-Komponenten aus den frühen 70er Jahren. Angaben wie "16-Bit-Sound" suggerieren eine Qualität, die einfach nicht vorhanden ist. Dies liegt an den zahlreichen Störgeräuschen, die vom Rechner selbst ausgehen. Wirklich erstklassige Überspielungen sind meiner Ansicht nach nur mit externen Soundkarten machbar (bei mir ist eine Hoontech 2000 im Einsatz). Beim Überspielen ist Übersteuerung unbedingt zu vermeiden, lieber etwas Sicherheitsreserve vorsehen (so etwa -3dB). Was das soll, werden wir noch sehen. Auflösungen von über 16 Bit haben bei der Aussteuerung und bei der Anwendung digitaler Filter einige Vorteile, ich halte es dennoch bei dem üblichen Material für übertrieben. Die Dateien brenne ich unbehandelt auf CD, denn alle weiteren Arbeiten hängen auch vom persönlichen Geschmack ab. Vielleicht ist man eines Tages froh, ungefilterte Dateien zu haben.

Bearbeitung

Höhen anheben

Jede weitere Bearbeitung erhöht in der Regel auch etwas die Aussteuerung, so dass eine nicht ganz ausgereizte Aussteuerung beim Überspielen eher von Vorteil ist. Die weiteren Schritten hängen natürlich stark von dem Material ab. Fast obligatorisch ist eine leichte Höhenanhebung im Bereich von 8 bis 10 kHz mit einem parametrischen Filter (so 3 bis 6 dB). Gesang bekommt so mehr Glanz, insbesondere nimmt man auch die Becken eines Schlagzeugs sehr viel besser wahr. Vor gut 20 Jahren war Dolby B Stand der Technik bei der Rauschunterdrückung, das Beschneiden der Höhen ist ein typisches Merkmal jener Zeit.

Stereobasis verbreitern

Viele alte Aufnahmen sind faktisch in mono (auf zwei Kanälen) oder mit einer sehr engen Stereobasis aufgenommen. Sie entstanden oftmals mit Hilfe des Gesangmischpults, das gar nicht auf Stereo ausgelegt war (das machte damals auch nicht viel Sinn, da der Gesang ebenso wie Soloinstrumente ohnehin in der Mitte platziert wurden.) Eine erweiterte Stereobasis läßt sich mit speziellen Plug-ins (aber auch "von Hand") realisieren, indem eine Summe beider Kanäle in der Phase umgekehrt wird und zum Teil von beiden Kanälen wieder abgezogen wird. Die Mono-Komponente wird praktisch abgeschwächt. Dies ist vielleicht etwas schwierig zu begreifen, funktioniert aber erstaunlich gut. Auch reine Mono-Aufnahmen lassen sich auf Stereo umstricken. Der Stereoeindruck entsteht nämlich durch Phasendifferenzen durch unterschiedliche Laufzeiten des Tones zu den beiden Ohren. Wird eine Mono-Aufnahme zunächst mal auf zwei Kanäle verteilt und einige signifikante Frequenzen auf den jeweiligen Kanälen unterschiedlich stark gefiltert, ergeben sich diese Phasendifferenzen.

Hall

Der Raumeindruck hängt natürlich nicht nur von der Stereobasis, sondern auch von einem Hall ab. Hall-plugins gehören zur Grundausstattung vieler Waveeditoren, besonders hochwertige lassen sich nachrüsten. Mono-Aufnahmen bekommen auch ohne weitere Tricks mit Hall eine räumliche Komponente.

Dynamik

Mein Lieblingsthema! Die heutigen Hörgewohnheiten unterscheiden sich hinsichtlich der Dynamik dramatisch von den Auffassungen vor 20 oder 30 Jahren. Heutige Aufnahmen müssen laut - und zwar einheitlich laut - sein. Dies ist unter anderem die Aufgabe eines Mastering-Studios, die allen Ernstes damit werben, die "lautesten" CDs zu produzieren. Das hat natürlich handfeste wirtschaftliche Vorteile, denn die Reichweite im Radio wird dadurch erhöht. War früher ein durchschnittlicher Pegel von -12 dB üblich, sind es heute -4 bis -3 dB (das nennt man dann die "amerikanische" Einstellung). Beim Versuch, möglichst laut zu sein, wird übrigens oft auch über das Ziel hinausgeschossen. In Fachzeitschriften ist die Übersteuerung ein beliebtes Thema. Sie ist selbst bei internationalen Produktionen mit hohem finanziellen Aufwand immer wieder festzustellen. Technisch erreicht wird die Lautheit durch Hardware-Kompressoren oder spezielle Software-Plugins, den Maximizern. Das Normalisieren macht hier nur ganz begrenzt Sinn, weil es im Unterschied zu Kompressoren den Lautstärkeeindruck nicht sehr verändert. Wenn doch, dann hat man beim Überspielen bereits etwas falsch gemacht.

Rauschunterdrückung

Davon sollte man meiner Meinung nach besser die Finger lassen. Rauschunterdrückung ohne großartige Parametereinstellung bringt bestenfalls -3dB, ist also wirklich nicht sehr deutlich wahrnehmbar. Es gibt auch das Verfahren, eine kleine Probe des Störsignals zu nehmen (Finger print) und diese aus dem Nutzsignal herauszurechnen, man handelt sich dabei aber leicht die schönsten Phasing-Effekte ein. Rauschen ist ohnehin nur bei sehr leisen Passagen oder Pausen wahrnehmbar. Im letzteren Fall kann und sollte man die entsprechenden Passagen mit "Stille" überschreiben oder besser noch ein Gate einsetzen. Auch bei Gesangsaufnahmen ist ein Gate mit einer Schwelle von etwa -50 dB obligatorisch, weil es im Aufnahmeraum nie ganz ruhig ist (man raschelt mit dem Ärmel über den Gitarrenkorpus, Autos fahren vorbei, der aufnehmende Computer rauscht vor sich hin etc.)

Beispiel

Ein kurzes Beispiel ist dieses Stück von Euphrat, das abschnittweise wie oben beschrieben bearbeitet wurde. Hier handelt es sich übrigens um eine "richtige" Studioaufnahme wohl aus dem Jahre 1979. Volker Jänicke hat Stein und Bein geschworen, dass es sich um eine Stereoaufnahme handelt. Da die Aufnahme einigermaßen ordentlich produziert wurde, ist die Wirkung der Nachbearbeitung eher diffizil und erschließt sich vielleicht nicht sehr deutlich mit Plastik-Multimedia-Boxen für 12,95 DM. Apropos Abhöre: ich benutze für das Bearbeiten keine Nahfeldmonitore oder ähnliches. Zum Einsatz kommt ein AKG-Studiokopfhörer.